Mittwoch, 15. April 2020

Philadelphia

In Philadelphia traf ich mit etwa zweieinhalbstündiger Verspätung ein und da es außerdem regnete, musste eine erste Erkundungstour zunächst ausfallen. Im Hostel war aber ohnehin Movienight mit "free wine and cheese" angekündigt. Das versöhnte mich schnell und sollte sich im Nachhinein auch als die bessere Alternative herausstellen, denn an diesem Abend traf ich Helen und Sovannarita (deren Name Helen und mir auf Dauer zu kompliziert war, weshalb wir sie später heimlich nur "you-know-who" nannten). Sie fragten mich, ob ich nicht Lust hätte mit ihnen am nächsten Tag das Eastern State Penitentiary zu besuchen. Da mir die beiden so sympathisch waren, willigte ich ein ohne zu wissen oder auch nur zu fragen, was das überhaupt ist. Stattdessen ließ ich mich einfach überraschen.

Am nächsten Morgen lernte ich dann, dass es sich bei "penitentiary" eigentlich nur um ein anderes Wort für "prison" - also Gefängnis oder Strafanstalt - handelt. Das Eastern State Penitentiary wurde von 1829 bis 1971 als solches genutzt, dient aber seit 1994 als Museum und kann deshalb besichtigt werden. Ungewöhnlich an dieser Einrichtung ist u. a. die Architektur: Äußerlich ist das Gebäude einer mittelalterlichen Burg nachempfunden, im Inneren sind die zweistöckigen Zellentrakte zur leichteren Überwachung strahlenförmig um einen zentralen Bau angeordnet.

Einzigartig war darüber hinaus das Konzept alle Gefangenen nicht nur von der Außenwelt, sondern auch voneinander zu isolieren, was nur durch strenge Einzelhaft gelang. Die Häftlinge durften weder arbeiten, noch Besuch empfangen und verfügten jeder über einen eigenen kleinen, durch Mauern abgetrennten, Außenbereich. Das Wort "penitentiary" ist nicht ohne Grund von "penitence" - was so viel wie Reue oder Buße bedeutet - abgeleitet. Einer der berühmtesten Insassen dieses Gefängnisses war Al Capone, dessen Zelle rekonstruiert wurde.

Zellentrakt

Obergeschoss

Zelle


Zelle von Al Capone

Den restlichen Tag verbrachten wir dann mit erfreulicheren Themen und besuchten u. a. das Franklin Institute Science Museum, in dem wir ähnlich wie in einer Experimenta allerlei Sachen ausprobieren konnten und dabei ziemlich viel Spaß hatten. Außerdem besichtigten wir die Liberty Bell - jene Glocke, die geläutet wurde, als die amerikanische Unabhängigkeitserklärung in Philadelphia am 08. Juli 1776 zum ersten Mal öffentlich verlesen wurde. Das Besondere an ihr ist ein Riss, der über mehr als die Hälfte der Glocke führt und sie funktionsunfähig macht. Es ist allerdings unklar, wann genau und wodurch dieser Sprung entstanden ist.

Im Anschluss gönnten wir uns ein Philly Cheesesteak. Dieses wurde - wie der Name schon sagt - in Philadelphia erfunden und besteht aus in dünne Scheiben geschnittenem Steak mit viel Käse in einem länglichen weichen Sandwichbrot. Das Ganze wird noch garniert mit gebratenen Zwiebeln, Paprika oder Pilzen und ist vor allem - sagen wir - extrem sättigend.

Am Abend versackte ich noch mit Helen bei "free beer" im Gemeinschaftsraum, wo wir bis 1 Uhr quatschten und uns vor Lachen die Tränen kamen. Helen war definitiv eine der lustigsten Personen, dich ich auf meiner Reise getroffen hatte und gerade dank ihr verbinde ich mit Philadelphia immer eine fröhliche und gelöste Stimmung.


City Hall

Liberty Bell

Philadelphia Skyline

ich, Sovannarita und Helen

Leider war der kommende Tag aber auch schon Helens letzter in der Stadt und wir entschieden uns den Abschied gemeinsam mit you-know-who bei einem gemütlichen und ausgiebigem Lunch zu zelebrieren. Anschließend besuchte ich die Independence Hall. Hierbei handelt es sich um das ehemalige Parlamentsgebäude des Bundesstaats Pennsylvania, in welchem 1776 die bereits genannte Unabhängigkeitserklärung und 11 Jahre später die Verfassung der Vereinigten Staaten unterzeichnet wurden. Während der kostenlosen Führung bekam man dann auch den geballten Nationalstolz der Amerikaner zu spüren, u.a. als die USA in aller Bescheidenheit als "Country No. 1" bezeichnet wurden. 

Für den Nachmittag war Kunst angesagt, denn in Philadelphia gibt es zahlreiche Wandmalereien. Das Hostel hatte die schönsten und größten Exemplare auf einer Karte vermerkt, welche ich als Basis nutzte und der Reihe nach alle Einträge besichtigte. Mein zweites Ziel waren außerdem die "Magic Gardens" - eine Art Galerie, in der es u. a. ein Labyrinth aus Mosaiken gibt. Später erkundete ich zudem das Historic Waterfront District sowie das lebhafte Viertel Penn's Landing am Delaware River, bevor ich mich mit Sovannarita zum Abendessen und auf ein paar Cocktails traf.

Independence Hall

Wandmalerei



Magic Gardens


Delaware River

Am darauffolgenden Tag schlief ich erst einmal aus. Dann gönnte ich mir auswärts ein ausgiebiges Frühstück mit Eiern und Speck. Da die Bedienung aber offenbar nicht den Luxus des Ausschlafens genossen hatte und deshalb ein bisschen verpeilt war, benötigte sie mehrere Erinnerungen, um mir die Rechnung zu bringen. Sie trödelte schließlich solange, dass ich doch tatsächlich den Anstoß des ersten WM-Spiels von Deutschland verpasste, nun ja. Grundsätzlich liefen die Spiele aufgrund der Zeitverschiebung für mich zu vergleichsweise günstigen Uhrzeiten, sodass ich im Laufe der vergangenen Tage immer mal wieder eine Partie gesehen hatte.

Nachmittags besuche ich noch die City Hall und schlenderte durch den Old City Cultural District. Zurück im Hostel packte ich dann meine Sachen für die Weiterreise am nächsten Tag und wusch ein letztes Mal meine Wäsche. Dabei steckte ich beinahe mein Portemonnaie mit in die Trommel, merkte es aber gerade noch rechtzeitig und konnte somit Schlimmeres verhindern. Das war knapp.

Old City Cultural District



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