In Philadelphia traf
ich mit etwa zweieinhalbstündiger Verspätung ein und da es außerdem regnete,
musste eine erste Erkundungstour zunächst ausfallen. Im Hostel war aber ohnehin
Movienight mit "free wine and cheese" angekündigt. Das versöhnte mich
schnell und sollte sich im Nachhinein auch als die bessere Alternative
herausstellen, denn an diesem Abend traf ich Helen und Sovannarita (deren Name
Helen und mir auf Dauer zu kompliziert war, weshalb wir sie später heimlich nur
"you-know-who" nannten). Sie fragten mich, ob ich nicht Lust hätte
mit ihnen am nächsten Tag das Eastern State Penitentiary zu besuchen. Da mir
die beiden so sympathisch waren, willigte ich ein ohne zu wissen oder auch nur
zu fragen, was das überhaupt ist. Stattdessen ließ ich mich einfach
überraschen.
Am nächsten Morgen
lernte ich dann, dass es sich bei "penitentiary" eigentlich nur um
ein anderes Wort für "prison" - also Gefängnis oder Strafanstalt -
handelt. Das Eastern State Penitentiary wurde von 1829 bis 1971 als solches
genutzt, dient aber seit 1994 als Museum und kann deshalb besichtigt werden.
Ungewöhnlich an dieser Einrichtung ist u. a. die Architektur: Äußerlich ist das
Gebäude einer mittelalterlichen Burg nachempfunden, im Inneren sind die
zweistöckigen Zellentrakte zur leichteren Überwachung strahlenförmig um einen
zentralen Bau angeordnet.
Einzigartig war
darüber hinaus das Konzept alle Gefangenen nicht nur von der Außenwelt, sondern
auch voneinander zu isolieren, was nur durch strenge Einzelhaft gelang. Die
Häftlinge durften weder arbeiten, noch Besuch empfangen und verfügten jeder
über einen eigenen kleinen, durch Mauern abgetrennten, Außenbereich. Das Wort
"penitentiary" ist nicht ohne Grund von "penitence" - was
so viel wie Reue oder Buße bedeutet - abgeleitet. Einer der berühmtesten
Insassen dieses Gefängnisses war Al Capone, dessen Zelle rekonstruiert wurde.
Obergeschoss |
Zelle |
Zelle von Al Capone |
Den restlichen Tag
verbrachten wir dann mit erfreulicheren Themen und besuchten u. a. das Franklin
Institute Science Museum, in dem wir ähnlich wie in einer Experimenta allerlei
Sachen ausprobieren konnten und dabei ziemlich viel Spaß hatten. Außerdem besichtigten
wir die Liberty Bell - jene Glocke, die geläutet wurde, als die amerikanische
Unabhängigkeitserklärung in Philadelphia am 08. Juli 1776 zum ersten Mal
öffentlich verlesen wurde. Das Besondere an ihr ist ein Riss, der über mehr als
die Hälfte der Glocke führt und sie funktionsunfähig macht. Es ist allerdings
unklar, wann genau und wodurch dieser Sprung entstanden ist.
Im Anschluss gönnten
wir uns ein Philly Cheesesteak. Dieses wurde - wie der Name schon sagt - in
Philadelphia erfunden und besteht aus in dünne Scheiben geschnittenem Steak mit
viel Käse in einem länglichen weichen Sandwichbrot. Das Ganze wird noch garniert
mit gebratenen Zwiebeln, Paprika oder Pilzen und ist vor allem - sagen wir -
extrem sättigend.
Am Abend versackte
ich noch mit Helen bei "free beer" im Gemeinschaftsraum, wo wir bis 1
Uhr quatschten und uns vor Lachen die Tränen kamen. Helen war definitiv eine
der lustigsten Personen, dich ich auf meiner Reise getroffen hatte und gerade dank
ihr verbinde ich mit Philadelphia immer eine fröhliche und gelöste Stimmung.
Leider war der
kommende Tag aber auch schon Helens letzter in der Stadt und wir entschieden
uns den Abschied gemeinsam mit you-know-who bei einem gemütlichen und
ausgiebigem Lunch zu zelebrieren. Anschließend besuchte ich die Independence
Hall. Hierbei handelt es sich um das ehemalige Parlamentsgebäude des
Bundesstaats Pennsylvania, in welchem 1776 die bereits genannte
Unabhängigkeitserklärung und 11 Jahre später die Verfassung der Vereinigten
Staaten unterzeichnet wurden. Während der kostenlosen Führung bekam man dann
auch den geballten Nationalstolz der Amerikaner zu spüren, u.a. als die USA in
aller Bescheidenheit als "Country No. 1" bezeichnet wurden.
Für den Nachmittag
war Kunst angesagt, denn in Philadelphia gibt es zahlreiche Wandmalereien. Das
Hostel hatte die schönsten und größten Exemplare auf einer Karte vermerkt,
welche ich als Basis nutzte und der Reihe nach alle Einträge besichtigte. Mein
zweites Ziel waren außerdem die "Magic Gardens" - eine Art Galerie,
in der es u. a. ein Labyrinth aus Mosaiken gibt. Später erkundete ich zudem das
Historic Waterfront District sowie das lebhafte Viertel Penn's Landing am
Delaware River, bevor ich mich mit Sovannarita zum Abendessen und auf ein paar
Cocktails traf.
Am darauffolgenden
Tag schlief ich erst einmal aus. Dann gönnte ich mir auswärts ein ausgiebiges
Frühstück mit Eiern und Speck. Da die Bedienung aber offenbar nicht den Luxus
des Ausschlafens genossen hatte und deshalb ein bisschen verpeilt war, benötigte
sie mehrere Erinnerungen, um mir die Rechnung zu bringen. Sie trödelte
schließlich solange, dass ich doch tatsächlich den Anstoß des ersten WM-Spiels
von Deutschland verpasste, nun ja. Grundsätzlich liefen die Spiele aufgrund der
Zeitverschiebung für mich zu vergleichsweise günstigen Uhrzeiten, sodass ich im
Laufe der vergangenen Tage immer mal wieder eine Partie gesehen hatte.
Nachmittags besuche
ich noch die City Hall und schlenderte durch den Old City Cultural District.
Zurück im Hostel packte ich dann meine Sachen für die Weiterreise am nächsten
Tag und wusch ein letztes Mal meine Wäsche. Dabei steckte ich beinahe mein Portemonnaie
mit in die Trommel, merkte es aber gerade noch rechtzeitig und konnte somit
Schlimmeres verhindern. Das war knapp.
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