Sonntag, 20. April 2014

San Diego

Zusammen mit Sandra und Svenja ging es also über die teilweise 12-spurige (!) Autobahn Richtung San Diego. Kurze Pausen machten wir dabei in Long Beach und Oceanside. Unser Hostel in Ocean Beach befand sich, wie sich schnell zeigte, nicht nur in unmittelbarer Strandnähe, sondern offenbar auch in einer Art Hippie Hochburg. Es war von außen bunt angemalt, hatte ein großes Peace Zeichen auf dem Dach und rund 80 % des Personals trugen Rastazöpfe. Zumindest handelte es sich hier um eine entspannte Gegend und genau so verbrachte ich auch einen Großteil der kommenden Tage: Entspannt. Ein gutes Buch, ein bisschen Strand und mexikanisches Essen – was braucht man mehr?!

das Hostel

Ocean Beach

Palme am Strand

Sonnenuntergang

Ein paar Ausflüge boten sich aber dennoch an. Der erste führte Sandra, Svenja und mich ins nahe gelegene Tijuana, Mexiko. Die Stadt liegt unmittelbar an der Grenze zu den USA und ist vor allem wegen zweierlei Dingen bekannt: Zum einen als Partyhochburg, weil sowohl die Getränkepreise als auch die Altersgrenze für den Konsum von Alkohol deutlich niedriger sind als in den USA, zum anderen aber auch als berüchtigter Drogenumschlagsplatz und Zentrum für Prostitution. Es wird daher davon abgeraten die Stadt nach Sonnenuntergang zu besuchen. Und weil wir so vernünftige und erwachsene Menschen sind, sind wir deshalb natürlich wann hingegangen? Richtig, nach Sonnenuntergang. Wir sollten ja auch kein Sightseeing betreiben, sondern – wieder richtig – Tequila trinken. Aber wie hätte ich sicherer unterwegs sein können? Sandra und Svenja sind beide ausgebildete Polizistinnen.

Schon die Busfahrt nach Tijuana war ein kleines Highlight. An einer Haltestelle sprang plötzlich ein Irrer in den Bus und beschimpfte lautstark einen anderen Fahrgast, weil dieser angeblich ein Messer bei sich trug. Der Busfahrer warf den Irren raus, der sich daraufhin demonstrativ vor den Bus stellte, sodass wir nicht weiter fahren konnten, und wild gestikulierend die Polizei rief. Innerhalb kürzester Zeit rückten ganze vier Streifenwagen an. Eine Beamtin fragte die Businsassen, ob sie ein Messer gesehen hätten. Alle schüttelten den Kopf. Der Irre wurde schließlich in Handschellen abgeführt und wir durften unsere Fahrt fortsetzen.

Der Grenzübergang war überraschend unkompliziert. Man geht einfach durch ein Drehkreuz, über dem in Großbuchstaben Mexiko steht, und schon ist man da: In Mexiko. Niemand kontrollierte unsere Pässe oder unser Gepäck. Erst auf dem Weg zurück in die USA mussten wir unsere Pässe vorzeigen. Das war’s. Jeder Security Check am Flughafen ist intensiver. Hauptsache da muss man seine Handcreme in einen wiederverschließbaren Plastikbeutel packen oder seine Schuhe ausziehen, aber wenn ich nach Mexiko gehe bzw. von dort zurück komme, interessiert niemanden was sich in meinem Rucksack befindet…

Tijuana selbst war letztlich ziemlich unspektakulär. Da, wo am Wochenende vermutlich der Bär steppt, ist unter der Woche (es war Dienstag) leider überhaupt nichts los. Das hatte zumindest den Vorteil, dass sich alle Bars um uns rissen, sich in den Preisen unterboten und uns wie VIP’s behandelten. Wir hatten also trotzdem einen schönen und lustigen Abend und mussten uns auch zu keiner Zeit unsicher fühlen.

Grenzübergang

Partymeile

Nix los?

Egal, wir haben trotzdem Spaß!

Einen weiteren Ausflug unternahm ich zur Südspitze der Point Loma-Halbinsel. An dieser historischen Stelle betrat am 28. September 1542 der portugiesische Entdecker Juan Rodriguez Cabrillo als erster Europäer die Westküste Amerikas. Ihm zu Ehren wurde ein Denkmal errichtet. Bei gutem Wetter hat man hier zudem einen guten Blick auf die Skyline von San Diego.

Interessant ist diese Gegend aber vor allem auch wegen der auf der Westseite befindlichen Gezeitenpools. Während der Flut wird die felsige Küste überspült. Wenn das Wasser zu Ebbezeiten schließlich zurück geht, entstehen in den zahlreichen Ausbuchtungen kleine Seen, in denen verschiedene Meeresbewohner (Anemonen, Muscheln etc.) vorübergehend gefangen werden. Erst mit der nächsten Flut werden sie wieder hinaus ins Meer gespült. In der Zwischenzeit kann man die Geschöpfe beobachten. Anfassen und / oder mitnehmen ist allerdings verboten.

Küste

Felsformation

Gezeitenpool

Cabrillo Monument

Point Loma Lighthouse

Im Hostel bot sich endlich die Möglichkeit meine kaputte Hose zu flicken – hah! An der Rezeption konnte ich mir Nadel und Faden leihen und meine Kenntnisse aus dem Werkunterricht der Grundschule zur Anwendung bringen. Schön ist das Ergebnis zwar nicht unbedingt, dafür aber zweckmäßig. Den ersten Test – Waschmachine und Trockner – hat die Naht zumindest unbeschadet überstanden.

Wenn man so eine Reise unternimmt, muss man sowieso schnell lernen, sein Herz nicht allzu sehr an die wenigen materiellen Dinge, die man bei sich hat, zu hängen. Dinge gehen kaputt oder verloren. Andererseits findet oder kauft man aber auch Neues oder bekommt es gar geschenkt. In Redondo Beach z. B. habe ich zum allerersten Mal meine neu gekaufte helle Trekkinghose getragen, nur um mich direkt in einen Ölfleck zu setzen. Die schwarzen Punkte zieren nun für immer den Popo der Hose. Das ist zwar ärgerlich, aber eben nicht zu ändern. Hier eine Übersicht zum status quo:

Bisherige Verluste: USB-Kabel für MP3-Player, Hülle für Brillenputztuch, Brillenetui, vorübergehend schwarze Ohrringe – sind aber wieder aufgetaucht, puh!

Beschädigte (oder unwiderruflich beschmutzte) Dinge: 2 Hosen, 1 T-Shirt, 1 Uhr, 1 Kugelschreiber

Bisherige Gewinne: 1 Pullover, 1 T-Shirt, 1 Reiseführer Osten der USA, 3 Bücher (Veronica Mars, Bridget Jones, Pretty Little Liars)

unbeabsichtigter "Used Look"

Mein letzter Abend in Ocean Beach war noch einmal sehr unterhaltsam. Im Hostel kam ich mit einem Mittfünfziger ins Gespräch, der sich als James vorstellte und in seinem Leben offenbar ein paar Joints zu viel geraucht hatte. Wir gingen zusammen essen und er erzählte ziemlich viel wirres Zeug, von Tree Sitting Protesten (Baumbesetzung), Kuba und der friedlichen Revolution. Eine Frau am Nachbartisch, die unser Gespräch bzw. seinen Monolog offenbar verfolgt hatte, ereiferte sich plötzlich lautstark darüber, dass es beschämend sei wie er die amerikanische Kultur gegenüber Europäern präsentiert und verlies wütend das Lokal. James ließ sich nicht beeindrucken. Er erzählte mir, dass der Grund dafür, dass die Europäer denken, dass die Amis einen an der Klatsche haben, ist, dass … ach, ich weiß es schon gar nicht mehr. Ich traute mich jedenfalls nicht ihm zu sagen, dass der Grund dafür, dass die Europäer denken, dass die Amis einen an der Klatsche haben, Leute wie er sind. Es war einfach zu lustig.

Am darauffolgenden Tag checkte ich schließlich aus, verließ den Strand und wechselte in ein Hostel, welches in San Diego Downtown gelegen ist. Wenigstens für einen Tag wollte ich die Innenstadt erkunden. Das ist sicher nicht genug Zeit, um sich ein vollumfassendes Bild zu machen, aber nach San Francisco und Hollywood stand mir der Sinn nicht unbedingt nach noch mehr Großstadtrummel. Sehenswert waren auf jeden Fall das Einkaufszentrum Westfield Horton Plaza, welches sich über sechs offen gestaltete Etagen erstreck und den Eindruck eines riesigen Cafés vermittelt, Seaport Village mit seinen vielen kleinen Geschäften und der Balboa Park, die grüne Lunge der Stadt.

Hafen

Westfield Horton Plaza

Willy

Seaport Village

Balboa Park

Bevor ich mich am nächsten Tag schließlich von Kalifornien verabschieden sollte, um mit dem Greyhound Bus in nordöstliche Richtung zu fahren, wollte ich noch ein letztes Mal mexikanisches Essen genießen. Als ich gerade genüsslich in meine leckere Quesadilla biss, spürte ich plötzlich, dass sich in meinem Mund etwas dramatisch veränderte. Schnell fand ich heraus, was es war: Der Kleber meines oberen Retainers (ein dünner Metalldraht, der oben und unten hinter den vorderen Zahnreihen angebracht ist, um die Zähne auch nach der festen Zahnspange weiterhin zu stabilisieren) war an mindestens drei Zähnen abgegangen und nun baumelte das eine Ende lose in meinem Mund herum. Oh nein! Das Ding hält seit sieben Jahren und nun geht es kaputt??? Argh! Über www.yelp.com (übrigens sehr zu empfehlen!) versuchte ich den nahe gelegensten Kieferorthopäden ausfindig zu machen, aber zum Samstagabend hatten natürlich alle Praxen schon geschlossen – verdammt! Also kaufte ich mir vorerst nur ein paar Kaugummis und versuchte mit diesen das lose Ende einigermaßen am Zahn zu befestigen, damit der Draht erstens nicht noch abbricht und ich mich zweitens mit dem scharfen Ende nicht zu sehr im Mund verletze. Der erste Auftrag für meinen neuen Aufenthaltsort stand damit schon einmal fest: Finde einen Kieferorthopäden und lass den Retainer reparieren. Fortsetzung folgt…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen